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Priester im Wandel

Editorial

Wer nach einem langen Arbeitstag – womöglich auch noch die meiste Zeit vor dem Schreibtisch – schließlich nach Hause fährt, weiß nur zu gut, wie befreiend und wohltuend dann ein ausgiebiger Spaziergang oder einfach etwas Bewegung sein kann. Nach einer Zeit der konzentrierten Hingabe an eine Aufgabe, an die aufgetragene Arbeit, tut es gut, in Bewegung zu kommen, vielleicht den zu Ende gehenden Tag Revue passieren zu lassen und für den kommenden Freude und Kraft zu tanken.

So ist Bewegung ein wunderbares Heilmittel, nicht nur für den Körper, sondern gerade auch für die Seele und den Geist. Wer in Bewegung bleibt und immer wieder in Bewegung kommt, bei dem kann sich auch im Inneren viel tun, manches in Bewegung geraten, sodass Neues zu entstehen und sich ein Wandel zu vollziehen vermag. Der Dreieinige Gott ist nicht denkbar als jemand Statischer oder gar als etwas Statisches, das gut konserviert und verpackt tradiert werden könnte. Vielmehr glauben Christen an eine Dynamik der Liebe in Gott selbst, in welche die Menschen hineingenommen und stets gewandelt werden. Diese göttliche Dynamik will nicht nur den einzelnen Gläubigen stets erneuern, sondern auch die Kirche selbst in ihrer Lebensgestalt mit dem, was sie ausmacht. Dazu gehört auch das Priestertum des Dienstes. Gerade diese Wandlung und Erneuerung ist die Lebenskraft, die die Kirche sie selbst sein lässt.

Andererseits ist nicht zu verleugnen, dass mit der Vorstellung von Wandel und Neuem – wenn es um die konkrete Gestalt der Kirche geht – bei nicht wenigen auch Ängste verbunden sind, weil das Neue und Unbekannte sich zunächst oft unsicher anfühlt und bisweilen Sicherheit im Bekannten und Vertrauten gesucht wird, das folglich Rückblick in einer Weise glorifiziert wird, die mit der Realität oft auseinanderklafft. Erst recht wird dann lieber an Vertrautem und scheinbar Sicherem festgehalten, wenn es um so intime und existenzielle Bereiche wie die Religion geht oder eben auch um Fragen rund um das Priestertum.

Als ich vor genau 25 Jahren zum Priester geweiht wurde, zeigte sich mir die Gestalt von Kirche in ganz anderer Form als sie dies heute tut, und meine Vorstellungen vom Leben und Dienst als Priester haben sich in diesen Jahren in einigen Punkten gewandelt. Bleibend, ja verstärkt wichtig geworden ist hingegen eine Spiritualität, welche unabhängig von den äußeren Umständen trägt. Dazu gehören eine lebendige Beziehung zu Jesus Christus, dem verlassenen Gekreuzigten und Auferstandenen, sowie eine praktizierte Mystik der Gemeinschaft mit Priestern und dem Volk Gottes in seiner ganzen Buntheit. Ich bin dankbar, in einer Zeit des Wandels – kulturell, kirchlich, gesellschaftlich – als Priester leben zu können, wo viele scheinbare Selbstverständlichkeiten wegfallen, weil mich dies dazu einlädt, stets von Neuem danach zu fragen, was denn Gott von mir, von der Kirche, von den Menschen möchte. Und diese Fragen sind ein Segen, weil sie mich in eine beständige Beziehung zu Gott locken, ohne die ich vielleicht ein braver kirchlicher Beamter sein könnte, aber kaum ein evangelisierender Priester, Christ und Mensch, wie ihn die Menschen heute ersehnen.

Die aktuelle Prisma-Ausgabe steht unter der Überschrift „Priester im Wandel“. Die einzelnen Beiträge beleuchten unter verschiedenen Perspektiven die Thematik, wobei die leitende Frage im Hintergrund vieler Beiträge steht, wie heute in authentischer Weise das Priestertum des Dienstes gelebt werden kann, das noch dazu zu einem erfüllenden Leben für den Priester führt. Da diese Frage virulent ist und das Priestertum des Dienstes aktuell wieder vermehrt in den Fokus der Aufmerksamkeit gerückt ist – wenn auch nicht selten unter einem negativen Vorzeichen – will die vorliegende Prisma-Nummer mit ihren Artikeln ihren Beitrag in die Diskussion einbringen, der sowohl theologische wie auch spirituelle und erfahrungsbezogene Zugänge bietet.

Dabei spannt sich ein Bogen von einem alttestamentlichen Beitrag des jungen Schweizer Professors Tobias Häner, der seinen Blick auf das „königliche Priestertum“ (Ex 19,6) des Volkes Israel lenkt und von daher unter einer bibelwissenschaftlichen Perspektive die priesterliche Bestimmung des Volkes herausstellt über mehr biografische Beiträge (Bischof Wanke, Hagemann u.a.) bis hin zu spirituellen (Hawighorst, Daiser) und pastoralpsychologischen Fragestellungen (Jacobs), der Frage nach der Priester(aus)bildung sowie den brennenden Fragen nach den Zulassungsbedingungen zum Priestertum des Dienstes (Sr. Philippa Rath).

Jeder Beitrag ist auf seine Weise kostbar und will zu einem vertieften Nachdenken über das Geschenk der priesterlichen Berufung anregen. Wenn der eine oder andere Artikel über die persönliche Lektüre hinaus zu lebhaften und anregenden Diskussionen in Gemeinschaften, Gruppen oder in privaten Gesprächen anregt, ist dies durchaus wünschenswert. Bewegung tut gut, auch Bewegung des Geistes und Bewegung in Richtung einer Erneuerung in der Kirche. In diesem Sinne wünsche ich eine spannende, zum Nachdenken anregende und ermutigende Lektüre dieser Prisma-Nummer.

Stefan Ulz

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