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«Auge um Auge, Zahn um Zahn…» Recht des Stärkeren oder Stärke des Rechts?

mit Prof. Dr. Matthias Ederer, Luzern
Porträtfoto Prof. Ederer

Die biblische Formulierung «Auge um Auge, Zahn um Zahn…» ist im Deutschen sprichwörtlich geworden. Wir verwenden sie zusammen mit Metaphern wie «Rachsucht» oder «Eskalationsspirale» und verbinden sie dabei gerne auch mit dem – in diesem Zusammenhang wohl klar abwertend gemeinten – Adjektiv «alttestamentlich». Ein klares Bild! Doch wird dieses den biblischen Texten gerecht, in denen diese Formulierung zu finden ist? Diese Frage adressiert der Vortrag, er stellt die (sehr wenigen) biblischen Belege des «Auge um Auge, Zahn um Zahn…» vor und versucht eine sachgemässe Deutung dieser Formulierung zu finden, die uns als «Sprichwort» so vertraut scheint. 

Matthias Ederer (Jahrg. 1977) studierte Katholische Theologie an der Universität Regensburg und an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg/Br., wo er 2004 das Diplom in katholischer Theologie erwarb, sowie Judaistik an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg/Br. mit einem Abschluss als Magister Artium (2005). Im Jahr 2010 promovierte er im Fach Altes Testament, die Habilitation erfolgte 2017 in Regensburg. Seit 2020 ist er als ordentlicher Professor für Exegese des Alten Testaments an der Theologischen Fakultät der 

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Ausgehend von Ex. 21 führte Prof. Ederer ein in das Rechtsverständnis der Thora. Es geht nicht primär um Strafe, sondern um Wiedergutmachung. Ein Recht auf Rache lässt sich aus dem AT nicht ableiten, wohl aber ein Recht auf Kompensation für erlittenes Unrecht. Neutrale Schlichter sollten für Einzelfallgerechtigkeit sorgen. Katalogisierte und für alle gleiche Entschädigungssätze waren nicht vorgesehen. Die im Christentum anzutreffende Antithetisierung von Thora und Evangelium erfolgte in Verkennung des Sinngehalts mosaischer Aussagen.  Man kann Jesus nicht gegen die Thora positionieren. Vielmehr steht Jesus in der Tradition der Thora. Sie ist heilig, und nichts daran darf geändert werden (Matth. 5). Er selbst hat sich an die Thora gehalten und sie erfüllt.  Seine Sicht der göttlichen Weisung ist keine legalistische; vielmehr geht es ihm um die ursprüngliche Intention der Thora:  den Weg zu Gott und zum Gedeihen der Volks- und Glaubensgemeinschaft Israels zu ermöglichen.    -   Hinter den konkret beschriebenen und teils fiktiven Einzelfällen muss der gesamte Rechtsrahmen gewürdigt werden, der auf Ausgleich und Wiederherstellung abzielt.  Dies ist der Grund, warum Israel keine menschliche Rache  kennt. Sollte es dennoch einer Strafe oder Rache bedürfen, wird diese von Gott vollzogen.

Ganz herzlichen Dank für den ausgezeichneten Vortrag, der eine weitere Dimension erschloss. Besonders hilfreich ist die Kenntnis von Talmud und Mischna, die sich schon in früher Zeit mit den Fragen beschäftigten, wie und auf welche Weise Vorgaben der Thora gelten und wie sie zu verstehen sind. Die christliche Theologie hat lange Zeit unter einer Engführung gelitten. Die Einbeziehung jüdischer Bibelauslegung bereichert uns; denn so wie viele Rabbiner hat Jesus gedacht.

HJH

Hat bereits stattgefunden.
Beginn: 02.06.2025 19:30 Uhr

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