Beten mit den Reformatoren
Vortrag und Gespräch mit Prof. Dr. Stefan Tobler
Wie finden wir die Ruhe zum Gebet, wenn wir mitten in unserem Alltag mit seinen Sorgen stehen und unsere Gedanken in ein Dutzend Richtungen zugleich drängen wollen? Diese Frage ist gewiss nicht neu. Martin Luther – erst Mönch, dann Familienvater – hat sich vielfach damit beschäftigt und Rat gegeben. Das Herz soll berührt werden, und dafür ist vor allem das Kirchenlied ein herausragendes Mittel. Ausgehend von den Zentren Genf und Wittenberg hat sich eine reiche Tradition entwickelt. Im Lied klingt Gottes Wort weiter, auch wenn Kopf und Hände mit anderem beschäftigt sind.
Stefan Tobler, geboren 1959 in St. Gallen (Schweiz), ist reformierter Theologe und Professor für Systematische Theologie. In seinen theologischen Studien setzt er sich intensiv mit der mystischen Erfahrung von Chiara Lubich auseinander: dem Geheimnis der Verlassenheit Jesu am Kreuz und der dreifaltigen Einheit Gottes. Seit 2003 lehrt er in Hermannstadt - Sibiu/ Rumänien, seit 2005 ist er Direktor des Instituts für Ökumenische Forschung in Hermannstadt.
Feedback
Stefan Tobler ist es gelungen, alle 60 TeilnehmerInnen mit ins Gebet zu nehmen. Und das auf der Spur von Luther und Calvin.
Die innere Gestalt des Abends gab jeder und jedem die Möglichkeit sich einzubringen. Dieses Format sollte wiederholt werden.
Ein letztes Wort des Referenten könnte den Kreis des Erlebten schließen. Denn es war ein Abend, an dem unter uns sichtbar und spürbar ein Feuer entzündet wurde, das vom Hl. Geist kam.
Danke.
WH
Der Vortrag von Prof. Tobler hat sowohl in mir als auch bei anderen Teilnehmern ein ganz neues, viel tieferes Verständnis bewirkt. Nur äußerlich bewirkte die Reformation eine Trennung. Was bisher zu wenig beachtet worden war, ist, dass gerade durch diese äußere Trennung neue, reiche Gaben und Denk- und Lebensräume ermöglicht wurden. Die Kontroverstheologie ist zum Glück seit langem obsolet.
Prof. Tobler hat eine synoptische Schau der Kirchen und insbesondere der Reformationszeit geboten. Dies ist ungeheuer bereichernd. Wie wir inzwischen wissen, bieten alle Kirchen zusammen die notwendige Komplementarität, damit der Leib Christi in seiner ganzen Fülle und Schönheit erstrahlen kann. Fiele eine der Kirchen weg, fehlte dem Leib Christi etwas Wichtiges. Die katholische Kirche, die verschiedenen Kirchen der Reformation und die orthodoxen Kirchen - sie alle zusammen bieten die Ganzheit dessen, was im Glauben möglich ist. Jede ist eine von vielen Facetten eines Edelsteins.
Durch Prof. Tobler wurde die Spiritualität des reformatorischen Anliegens deutlich. Sie läuft der katholischen Spiritualität nicht zuwider, sondern vereint sich mit ihr zu einem großen Reichtum. In diesem spirituellen Bereich gibt es keine Konkurrenz, sondern eine gegenseitige Bereicherung.
Seit dem 2. Vatikanischen Konzil ist ein solches Maß an Einheit gewachsen, wie es in den vorigen Jahrhunderten undenkbar war. An der Basis, d.h. in den Gemeinden, wurde die Einheit der Kirchen ("ut unum sint") schon zu einem großen Teil vollzogen. Die Kirchenleitungen werdem diesem Vorgang mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung folgen. Erfreulich ist auch die vorkonziliare Ökumene, wie am Beispiel von Ottmaring (Gottlob Heß) und an Chiara Lubich zu sehen ist.
In unserer Gruppe war ein herzlicher Austausch. Obwohl wir uns vorher nicht kannten, entwickelte sich sofort eine Einheit und eine herzliche Verbundenheit.
HH
Als Teilnehmer/innen erlebten wir an diesem Abend nicht so sehr rein theologische Wissensvermittlung, sondern wurden persönlich mit hineingenommen in die Erfahrung von Martin Luther und den Reformatoren, durch das Wort Gottes im Herzen ein Feuer zu entzünden und unser Leben davon prägen zu lassen. Wir lernten die Schönheit und Zentralität des Kirchenliedes und des Gebetes, welches „der Atem für unsere Seele ist“ wertschätzen.
Bereichernd war der ökumenische Aspekt unter den Teilnehmern/innen und in den spontan gebildeten Austausch-und Gesprächsgruppen lernten wir einander ein wenig kennen,und übten im Hinhören aufeinander den synodalen Stil im Gespräch.
Wir verspürten, dass diese Art von Reformation gerade auch in der heutigen Zeit sehr notwendig ist, für uns persönlich, aber auch für die Kirche als Gesamte - und uns auf dem Weg zu einer tieferen Einheit führen kann. Der Gedanke, uns nicht „ in ein Kloster zurückzuziehen, sondern mit dem Leben dazu beizutragen, dass die ganze Welt ein Kloster würde, d.h. auf Gott ausgerichtet, in der Wertschätzung aller Berufungen“, hat uns gut gefallen. Im Anschluss an die Zoomschaltung setzten wir spontan unser Gespräch noch fort und waren dankbar für diesen Abend.
Teilnehmende aus Solingen
Ihr Lieben, auch dieses Mal einen besonderen Dank für den gelungenen Abend „Im Herzen ein Feuer entzünden“. Das Referat von Stefan Tobler war beeindruckend klar und daher wunderbar einprägend. Auch schätze ich sehr die einfühlende und gleichzeitig im Wesentlichen bleibende Moderation von Franz Sedlmeier. Auch dafür herzlichen Dank!
Wenn man mir früher gesagt hätte, dass die Musik in der evangelischen Kirche einen ganz besonderen Stellenwert hätte, wäre meine umgehende Reaktion nicht ausgeblieben, dass dies in der katholischen Kirche doch nicht anders sei. So kenne ich die meisten Kirchenlieder des katholischen Gesangbuches bis zur letzten Strophe auswendig. Lieder und speziell Kirchenlieder haben mir schon immer viel bedeutet. Dennoch geht es hier nicht um ein Abwägen, wo mehr oder besser gesungen wird. Ich konnte gerade heute Abend diese zentrale Stellung von Musik und Liedern in der evangelischen Kirche ganz besonders wahrnehmen, wirklich als einen ganz wichtigen Teil des christlichen Lebens, als eine zentrale Gebetsform, die als Hinwendung zu Gott mitten in das Alltagsgeschehen gehört.
Wenn ich hin und wieder zusammen mit meiner evangelischen Mitschwester im Fokolar in die evangelische Liturgie gehe, bin ich immer davon berührt, dass auch noch am Ende des Gottesdienstes, nach dem Segen, alle Gläubigen einem noch sehr langen Musikstück der Orgel lauschen, mucksmäuschenstill bis zum Schluss! Wie oft hingegen habe ich früher auf der Orgel in den Heiligen Messen das Schlusslied angestimmt, während das Kirchenvolk schon aus der Kirche strömte. An eine zweite Strophe war da gar nicht zu denken!
Zur Einheit finden heißt, den Reichtum der anderen Konfessionen wirklich wahrzunehmen und wertzuschätzen.
Als Dank möchte ich Euch hier meine Erfahrung von gestern etwas ausführlicher berichten, die ich heute Abend als Feedback unseres Gruppengesprächs mit ein paar Worten erwähnt hatte.
Es geht hier um die Initiative einer Singgruppe in einem Seniorenheim, bisher mit einer Gruppe von etwa 20 Senior*innen. Schon an Weihnachten hatte ein Herr im Rollstuhl bei unserem Weihnachtsliedersingen einen großen Eindruck auf mich gemacht. Er war sehr bewegt von den Liedern und weinte vor Freude. Er strahlte einfach etwas Besonderes aus. Ich sah ihn zugedeckt im Rollstuhl sitzen und gleichzeitig aufrecht, sodass ich mich über seine Haltung wunderte. Erst dann bemerkte ich, dass seine Beine bis zum Rumpf amputiert waren.
Gestern, bei einem großen Fest für alle, zu dem ich eingeladen war, sah ich, wie dieser Herr im Rhythmus der Lieder in die Hände klatschte, und dann forderte ihn jemand auf, allein ins Mikrofon zu singen. Alle, das Personal des Hauses, die Bewohner, schauten ihn mit Respekt und innerer Wertschätzung an. Ich habe mich dann lange mit ihm unterhalten. Er erzählte mir, dass man ihm vor einigen Jahren wegen einer Blutvergiftung beide Beine amputiert hatte. Seine Verzweiflung war unermesslich. „Am liebsten hätte ich eine Pistole genommen…. . Doch…. .“ Während unseres Gesprächs sagte er nachdenklich zu sich selbst: „Gott muss etwas im Sinn gehabt haben, dass mir das passierte. Es muss etwas Gutes daran sein! Ja, ich sag es Ihnen, was Gutes!“ Er wiederholte es ein paar Mal.
Ich spürte, wie gut es ihm tat, das so sagen zu können und von jemandem die Bestätigung zu bekommen, dass es etwas Gutes in diesem Leiden gibt. Ich sagte ihm: „Ja, und nicht nur Gutes! DER GUTE, Jesus selbst, wohnt in Ihnen! Ihr So-sein, Ihr Singen, Ihr Leben im Rollstuhl gibt Zeugnis von Ihm!“ Nächste Woche wird er sich unserer Singgruppe anschließen.
Die 3. Tageslosung unseres Abends, „Siehe, ich sende einen Engel vor Dir her, der dich behüte auf dem Wege und dich bringe an den Ort, den ich bestimmt habe“…. . Wie kann man bezweifeln, dass es diesen Engel gibt, und dass er vor so mutigen Menschen hergeht?
ES