Der Bischof von Rom in der Ekklesiologie des I. Vatikanums
Vortrag und Gespräch mit Prof. Roman Siebenrock
Das Dikasterium zur Förderung der Einheit der Christen hat in diesem Jahr ein bemerkenswertes Dokument veröffentlicht: "Der Bischof von Rom". In diesem Dokument sind die Konsultationen und Dialoge eingearbeitet, die seit der Ökumeneenzyklika von Johannes Paul II. ("Ut unum sint" [1995]) zum Petrusdienst stattgefunden haben. In dieser Enzyklika hat der Papst die Bitte ausgesprochen, dass er von anderen erfahren möchte, wie er seinen Dienst so gestalten könne, dass er für alle Christgläubige segensreich werde. Die eben zu Ende gegangene Synode hat betont, dass die Synodalität der Kirche den Rahmen für die Interpretation der päpstlichen Vollmacht darstellen würde.
Was das bedeutet und wie das Dogma der Unfehlbarkeit des Papstes von 1870 vielleicht neu ausgelegt werden kann, soll an diesem Abend diskutiert werden.
Feedback
Ich bin äußerst beeindruckt von dem Kenntnisreichtum und der Wissensfülle von Prof. Siebenrock. Was ich heute hörte, habe ich in dieser Präzision noch nirgends so gehört. Ich habe ungeheuer davon profitiert. Seit dem 2. Vaticanum, das ich während meines Studiums mitverfolgte, bin ich der katholischen Kirche immer näher gerückt und empfinde sie in ihrem Lehrgut und ihrem Wertesystem als meine Heimat. Meiner Frau ergeht es ähnlich. Der Protestantismus hat seine Kraft verloren. Die katholische Kirche aber erneuert sich immer wieder. Sie wird auch die derzeitige Krise überstehen, da sie sich aus guten, alten Quellen speist. Angesichts dessen, was Prof. Siebenrock vortrug, ist sie - aus meiner Sicht - auch die Heimat der protestantischen Kirchen. Das Papsttum vertritt alle Christen. Die Bitte Jesu "ut unum sint" höre ich oft aus katholischem Mund, aber fast nie aus evangelischem. Die Protestanten gefallen sich in ihrem Partikularismus und haben das Erfordernis der Einheit nicht erkannt.
Obwohl ich mich seit dem 2. Vaticanum mit kirchlichen Vorgängen und Strukturen beschäftige und viel darüber gelesen habe, bedurftes es des heutigen Abends, um wirklich zu verstehen, was die Infallibilität, der Jurisdiktionsprimat etc. bedeuten und in welchen Rahmen sie gestellt sind. Alles ist fein austariert und ergänzt sich gegenseitig. Die Unterscheidung zwischen Person und Amt ist wichtig. Der zum Felsen berufene Petrus konnte als Mensch durchaus Schwächen haben (Verrat am Feuer). Das ihm aufgetragene Amt blieb davon unbeschadet. Die Kirche ist keine Papstkirche, sondern eine Bischofskirche. Es gibt eine Bischofsweihe, aber keine Weihe zum Papstamt. Der Papst als Bischof von Rom ist in diesem Punkt seinen Bischofsbrüdern gleichgestellt. Die Kirche ist eine komplexe Realität, die nicht durch eine einzelne Facette beschrieben werden kann, sondern die in der Vielfalt aller Aspekte den gesamten Leib Jesu darstellt. Der Papst befiehlt nicht von oben, sondern berät sich mit den Bischöfen und holt deren Meinung ein. So sind es die Bischöfe und die Bischofskonferenzen, die Änderungen, auch regionaler Art, vorschlagen und dem Papst unterbreiten.
Nach den Ausführungen von Prof. Siebenrock hatte ich so viele Erkenntnisse wie seit meinem Studium nicht mehr. Die Fragen, die sich in mir seit Jahren angehäuft hatten, waren durch seine Darlegungen beantwortet. Ich befinde mich immer noch im Zustand des Staunens und der Dankbarkeit, weil ich erstmals verstanden habe, wie komplex die Kirche ist. Sie ist nicht starr, sondern ständig in Veränderung, um auf neue Fragen Antworten zu finden. Die Kirche ist ein lebendiger Organismus, der das Alte bewahrt (Tradition) und zugleich für Neuerungen offen ist.
HJH