Es war die feste Überzeugung von Chiara Lubich, der Gründerin der Fokolar-Bewegung, dass die Welt zur Einheit hinstrebe und Jesu Bitte, „dass alle eins seien“ (Joh 17,21), die Bestimmung der Menschheitsfamilie zum Ausdruck bringe. Nüchtern betrachtet scheint aber eher das Gegenteil der Fall zu sein. Gesellschaftliche Fragmentierung, politische Polarisierung sowie religiöse Radikalisierung oder Entwurzelung nehmen zu. Wie können wir den gegenwärtigen menschheitsgeschichtlichen Moment adäquat deuten?
Der amerikanische Philosoph Charles Eisenstein spricht von zwei Sichtweisen der Welt, der Geschichte der Separation und der Geschichte der Verbundenheit. Die Geschichte der Separation liegt dem Fortschrittsdenken zugrunde, das die kulturgeschichtliche Entwicklung der westlichen Zivilisation bis heute antreibt. Doch angesichts globaler Krisen verliert diese Geschichte an Überzeugungskraft. Menschen suchen nach alternativen Denk- und Erklärungsmodellen, die ihrem Leben Sinn und Bedeutung geben. Eisenstein sieht darin Anzeichen für eine neue und alte Geschichte – die Geschichte der Verbundenheit (englisch: „Interbeing“).